Seit vielen Jahren finden in Österreich Evaluierungen von Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung statt. Von März bis Mai 2023 erfolgte die bislang größte und professionellste Evaluierung der ärztlichen Ausbildung in Österreich, die von der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich durchgeführt wurde. Die ETH macht dieselbe Studie auch in der Schweiz und in Deutschland und verfügt daher über eine hohe Expertise.
In Auftrag gegeben wurde die Befragung von der Bundeskurie Angestellte Ärzte, unter der Federführung von Dr. Harald Mayer, Kurienobmann der angestellten Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich und Bundeskurienobmann Angestellte Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer. „Ich möchte mich bei allen, die an der Evaluierung teilgenommen haben, bedanken. Ich möchte mich aber auch bei den vielen Ausbildungsverantwortlichen für ihre wertvolle und wichtige Tätigkeit bedanken“, sagt Dr. Harald Mayer.
Gute Ergebnisse, aber Luft nach oben
„Ich bin sehr zufrieden, was die Gesamt-Abwicklung der Studie betrifft. Auch die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen, aber da geht noch mehr“, schränkt Dr. Harald Mayer ein. Denn von den ausgeschickten Fragebögen kamen 3976 wieder ausgefüllt retour, was einer Rücklaufquote von 44,3 Prozent entspricht. In Oberösterreich erhielten 1333 einen Fragebogen und 714 schickten diesen ausgefüllt wieder zurück. Das ist immerhin eine Rücklaufquote von 54 Prozent – also deutlich über dem Österreichschnitt. Damit liegt Oberösterreich im Gesamtvergleich ex aequo auf Rang 3 – gemeinsam mit dem Burgenland – und hinter Vorarlberg (65 Prozent) und Tirol (55 Prozent). „Die Rücklaufquote in Oberösterreich war ganz gut, aber sie müsste deutlich höher ausfallen. In der Schweiz werden bei der gleichen Studie 70 Prozent der Fragebögen retourniert. Auf dieses Niveau müssten wir auch kommen. Je mehr mitmachen, desto valider werden auch die Daten zum aktuellen Zustand der Ärzteausbildung. Nur wenn wir selbst die Ausbildung ernst nehmen, wird das die Politik auch mit unseren Forderungen tun“, sagt Dr. Mayer.
Höchste Ausbildungs-Zufriedenheit in Oberösterreich
In puncto Ausbildungsqualität schnitt Oberösterreich ebenfalls sehr gut ab, landete im Gesamtschnitt auf Rang 1 und erhielt die Note 4,61. Die Benotung folgt dem Schweizerischen System und beinhaltet auch Kommazahlen. Die Bestnote wäre eine 6 und nicht eine 1 wie bei uns. Zwischen 3,5 und 6 liegt der Bereich, in dem man positiv ist, liegt man nach dem Schweizer Notensystem unter 3,5 wäre es ein Nichtgenügend.
Die Bewertung erfolgte zu insgesamt 90 Fragen in acht Themenfeldern: Globalbeurteilung der Ausbildungsstätte, Fachkompetenzen, Lernkultur, Führungskultur, Fehlerkultur, Entscheidungskultur, Betriebskultur und evidenzbasierte Medizin.
Der Österreich-Notendurchschnitt liegt übrigens bei 4,49. Das sieht auf den ersten Blick nach wenig aus, ist aber doch ein großer Unterschied. Hinter Oberösterreich rangieren die Länder Steiermark (4,59), Burgenland (4,54), Salzburg und Niederösterreich (jeweils 4,50), Wien (4,47), Vorarlberg (4,42), Tirol (4,39) und Kärnten (4,34).
Daten sind transparent und abrufbar
Sämtliche Daten der Ausbildungsevaluierung sind für jedes Bundesland und jede Abteilung bzw. Lehrpraxis auf der Homepage der Österreichischen Ärztekammer abrufbar (www.aerztekammer.at/ausbildungsevaluierung). Die Ergebnisse dienen nicht dazu, um schlecht bewertete Einrichtungen vorzuführen. Sie sollen dazu dienen, dass Schwächen in der Ausbildung rechtzeitig aufgezeigt und beseitigt werden können. Es geht darum, die Ausbildungsqualität sukzessive zu erhöhen. Das wird auch in Zukunft spielentscheidend sein, wenn gerade die Attraktivität der künftigen Dienststelle nach der Ausbildungsqualität bemessen wird und zum Entscheidungskriterium dafür wird, in welchem Spital man letztlich zu arbeiten beginnt.
Klein und fein, aber auch groß und fein
Es hat sich in der Studie gezeigt, dass die kleinen Abteilungen mehrheitlich besser abgeschnitten haben, als die sehr großen Abteilungen mit vielen Turnusärztinnen und -ärzten. Dennoch wollen wir die großen Ausbildungs-Einheiten nicht vergessen und einige nennen, die teilweise relativ hohe prozentuelle bzw. nominelle Rücklaufquoten hatten und überdies recht gut bewertet wurden. Da sind etwa:
- Pyhrn-Eisenwurzen, Steyr, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde: Rücklaufquote 10/12 und eine Note von 5,6
- Kepler Universitätsklinikum Linz, Abteilung für Innere Medizin 1: Rücklaufquote 8/8 und eine Note von 5,6
- Barmherzige Schwestern Ried, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Rücklaufquote 7/9 und eine Note von 5,6
- Klinikum Wels-Grieskirchen, Standort Wels, Abteilung für Psychiatrie: Rücklaufquote 9/12 und eine Note von 5,6
- Salzkammergut-Klinikum, Standort Vöcklabruck, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin: Rücklaufquote 7/10 und eine Note von 5,5
- Barmherzige Brüder Linz, Abteilung Innere Medizin: Rücklaufquote 14/16 und eine Note von 5,4
- Klinikum Wels-Grieskirchen, Standort Wels, Abteilung für Orthopädie: Rücklaufquote 8/8 und eine Note von 4,6
- Klinikum Wels-Grieskirchen, Standort Wels, Basisausbildung: Rücklaufquote 21/37 und eine Note von 4,5
Denn es gab auch zahlreiche Abteilungen, von denen nur sehr spärlich die Fragebögen zurückgeschickt wurden – aus manchen Abteilungen kam gar nichts oder nur zu einem geringen Prozentsatz. „Diese Abteilungen wird man sich in Zukunft natürlich genauer anschauen müssen, um zu erfahren, was da los ist und wo es da hakt. So etwas darf nicht mehr passieren“, so Dr. Harald Mayer.
Ausbildungsqualität variiert stark
Leider ist es so, dass die Ausbildungsqualität in Oberösterreich – wie auch österreichweit – stark variiert. Während kleine Einheiten mit intensiverer Betreuung im großen Ganzen besser bewertet werden als größere Einheiten, zeigt sich vor allem das Lehrpraxis-Modell als besonders gut: ein Lehrpraxisinhaber kümmert sich um einen Lehrpraktikanten. Dieses 1:1-Teaching-Modell zeigt besonders seine Stärken. „Denn es bleibt viel mehr Zeit für persönliche Gespräche, Feedback und Fragen als auf einer Stelle, wo man nur eine oder einer von vielen ist“, weiß Dr. Cornelia Sitter, Turnusärztevertreterin und Kurienobmann-Stellvertretern der angestellten Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. „Ebenso eine Erkenntnis aus der Studie ist, dass die Ausbildung für Allgemeinmedizin in den Spitälern deutlich verbessert gehört. Hier besteht noch großer Bedarf“, sagt Dr. Sitter. Besonders erfreut zeigt sich die Turnusärztevertreterin über die Vorjahres-Erhöhung der Aufwandsentschädigung beim Klinisch-Praktischen Jahr (KPJ) in Oberösterreich von 650 auf 900 Euro. „Die Erhöhung der KPJ-Entschädigung ist sehr gut angekommen und zeigt dem medizinischen Nachwuchs, dass man ihn ernst nimmt und wertschätzt“, so Dr. Sitter. Die Ausbildungsergebnisse sind immer ein Spiegelbild und eine Visitenkarte für das jeweilige Spital. „Da sortieren schon Studierende in der Famulatur ihre Standorte nach den Ergebnissen bei den Ausbildungsevaluierungen. Und das zieht sich bis zum Turnus und dann vor allem bei der Wahl des künftigen Dienstgebers durch. Daher sollten alle Spitalsträger ein großes Interesse haben, die Ausbildungsqualität massiv zu heben“, erklärt Dr. Sitter.
Ausbildung hat hohen Stellenwert
„Ausbildung hat einen immens hohen Stellenwert und darf keineswegs zum Nebenschauplatz werden. Daher ist es dringend notwendig, dass die ausbildungsverantwortlichen Fachärztinnen und Fachärzte mehr Zeit für die Ausbildung eingeräumt bekommen“, sagt Dr. Cornelia Sitter, Turnusärzte-Vertreterin sowie Kurienobmann-Stellvertreterin der angestellten Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich.
Das ist angesichts der angespannten Personalsituation in den Spitälern schon jetzt eine Herausforderung. Und sie wird durch die laufende Pensionierungswelle noch verschärft. „Hier darf man nicht nachgeben und bei der Ausbildung sparen. Wir werden nämlich genau darauf achten, dass das nicht passiert“, warnt Dr. Sitter.
Wichtig sei vor allem, dass man den soeben erfolgenden Generationswechsel in den Spitälern nicht verschläft. „Damit das wertvolle Wissen der älteren Ärztinnen und Ärzte nicht mit in Pension geht, sollten die Spitalsträger mit allen Mitteln versuchen, dieses Wissen zu bewahren. Vielleicht indem man überplanmäßige Posten kreiert, damit pensionierte Ärztinnen und Ärzten doch noch im Ausbildungssystem bleiben“, sagt Dr. Mayer. In der Schweiz würden die Ausbildungsärztinnen und Ausbildungsärzte einfach besser betreut, sagt Dr. Mayer. Und das wäre auch das Ziel für Oberösterreich. Andernfalls wandern die jungen Akademikerinnen und Akademiker, die eine hohe Mobilitätsbereitschaft haben, in die Schweiz oder nach Deutschland aus und gehen so für die wichtige Gesundheitsversorgung in Österreich verloren.
Neue Evaluierung ist soeben gestartet
Vor vier Tagen, am 4. März 2024, wurden die neuen Fragebögen für die Ausbildungsevaluierung 2024 versandt. Auch diese wird wieder von der ETH Zürich im selben Verfahren wie 2023 umgesetzt. Wie wichtig Ausbildung und Evaluierung sind, bestätigt auch Mag. Dr. Franz Harnoncourt, Vorsitzender der Geschäftsführung der OÖ Gesundheitsholding: „Ausbildung ist ein wichtiges und überaus bedeutendes Thema in der Entwicklung zukünftiger Medizinerinnen und Mediziner. Zudem besteht kein Zweifel, dass die Qualität der Ausbildung die Attraktivität einer Abteilung wesentlich beeinflusst. Eine objektive Evaluierung und die konsequente Weiterentwicklung der Ausbildungsqualität ist daher im gemeinsamen Interesse der Träger, der Klinik-Abteilungen und der Ärztekammer. Letztendlich kommt eine gute Ausbildung auch den Patientinnen und Patienten entgegen. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang auch die Klarstellung, dass es um eine Evaluierung und Entwicklung und nicht um eine Benotung oder gar Bewertung geht - so können wir auch viele Kolleginnen und Kollegen dafür gewinnen, dies positiv mitzutragen. Wir als OÖG ersuchen daher auch alle Ärztinnen und Ärzte diese Evaluierung aktiv mitzugestalten“, sagt Mag. Dr. Franz Harnoncourt, Vorsitzender der Geschäftsführung der OÖ Gesundheitsholding.
Attraktives Ausbildungs- und Arbeitsumfeld bieten
Die Ärztinnen und Ärzte von morgen benötigen ein hervorragendes Umfeld, damit sie im Land oder sogar gleich direkt bei der Ausbildungsstelle bleiben. „Die Oberösterreichischen Ordensspitäler legen großen Wert darauf, Jungärztinnen und Jungärzten ein attraktives Ausbildungs- und Arbeitsumfeld zu bieten, um die Jungmedizinerinnen und Jungmediziner in Oberösterreich zu halten. Insbesondere die spitalsübergreifenden Kooperationen sichern eine erstklassige Ausbildung in ausgewählten medizinischen Fachrichtungen. Dies gilt sowohl für den Linzer Zentralraum als auch für ländliche Regionen. Ein gelungenes Beispiel für ein häuserübergreifendes Ausbildungsangebot ist die Spitalspartnerschaft des Ordensklinikums mit den Barmherzigen Brüdern. Neben umfangreichen Ausbildungsangeboten bieten die Ordensspitäler auch ein attraktives Umfeld für die berufliche Weiterentwicklung nach der Ausbildung“, sagt Mag. Peter Ausweger, Geschäftsführer der Oberösterreichischen Ordensspitäler Koordinations GmbH.
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Bildtext: Mag. Dr. Franz Harnoncourt, Vorsitzender der Geschäftsführung OÖG
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