Tabuerkrankungen Kompakt-Info
Gesundheitswissen to go
Tabuerkrankungen – darüber spricht man nicht
Über Gesundheit zu reden, ist heutzutage gang und gäbe. Lediglich bei so genannten Tabuerkrankungen, die den Betroffenen peinlich und die nicht „gesellschaftsfähig“ sind, wie etwa Inkontinenz, Mundgeruch, Hämorrhoiden etc., gilt oft noch die Prämisse „Schweigen ist Gold“. Obwohl viele Menschen von diesen Krankheiten betroffen sind – unabhängig von Alter oder Status – wird aus Scham häufig der Mantel des Schweigens darüber verhängt. Mit der Folge, dass nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen sehr darunter leidet, sondern viele dieser Erkrankungen unbehandelt bleiben und sich möglicherweise verschlimmern.
Hämorrhoiden
Grundsätzlich hat jeder Mensch Hämorrhoiden. Wenn sich in den Gefäßpolstern, die den Ausgang des Enddarms abdichten, jedoch das Blut staut, vergrößern sie sich. Dies führt zu unangenehmen Symptomen wie Juckreiz, Nässen und Brennen in der Analregion, hellrotes Blut auf dem Stuhl/Toilettenpapier und auch zum Gefühl der unvollständigen Entleerung nach dem Stuhlgang. Zu den Auslösern zählen Druck (z. B. starkes Pressen beim Stuhlgang), ballaststoffarme Ernährung, zu wenig Flüssigkeitsaufnahme, mangelnde Bewegung, Übergewicht oder auch eine angeborene Bindegewebsschwäche. Wenden Sie sich bei Hämorrhoidenbeschwerden vertrauensvoll an eine Ärztin/einen Arzt. Denn es gibt diverse Möglichkeiten bis hin zu einer OP, um das Leiden zu lindern. Es ist kein unabwendbares Schicksal, das still ertragen werden muss.
Mundgeruch
Übel riechender Atem kann sehr belasten, da Betroffene oft selbst nichts davon wissen und die Umwelt auf Abstand geht, ohne den Missstand zu kommunizieren. Ausgelöst werden schlechte Gerüche aus dem Mund meist durch Bakterien, die stinkende Schwefelverbindungen produzieren. Begünstigt wird dies durch Mundatmung, Mundtrockenheit, Rauchen, Alkohol, übermäßigen Kaffeekonsum und auch spezielle Nahrungsmittel wie Knoblauch oder Zwiebeln. Generell kann man Mundgeruch vorbeugen durch regelmäßiges Zähneputzen, die Benutzung von Zahnseide und die Reinigung der Zunge sowie durch ausreichend Wasser trinken. Bleibt die Symptomatik trotz guter Mundhygiene bestehen, sollte ärztlich abgeklärt werden, ob eine ernsthafte Erkrankung dahintersteckt (Zähne, Magen, Diabetes etc.).
Krankhaftes Schwitzen (Hyperhidrose)
Durch eine Fehlfunktion der Schweißdrüsen leiden Betroffene unentwegt unter z. B. schweißnassen Füßen/Händen und/oder übermäßigem Nässen der Achseln und des Rückens – häufig auch im Ruhezustand ohne körperliche Anstrengung. Das extreme Schwitzen schränkt die Lebensqualität massiv ein und ist für die meisten eine große psychische Belastung. Abhilfe schaffen können schweißhemmende Deos (Antitranspirants), pflanzliche Präparate oder auch Injektionen mit Botulinumtoxin („Botox“) und Behandlungen der Haut mittels Gleichstromapplikationen. Bei einer besonderen Form der Hyperhidrose kann zudem ein minimal-invasiver Eingriff zielführend sein.
Harninkontinenz
Im Laufe des Lebens ist rund jede vierte Frau und jeder zehnte Mann mit einer „schwachen Blase“ konfrontiert und geniert sich, wenn „etwas in die Hose geht“. Es gibt viele Ursachen, die zu unfreiwilligem Harnverlust führen: eine Schwäche der Schließmuskeln oder des Beckenbodens, eine Überdehnung der Blase, Entzündungen, verschiedenste Erkrankungen, Geburten oder auch eine vorangegangene OP. Wichtig ist, dass Betroffene sich vertrauensvoll ärztliche Hilfe suchen, denn es gibt verschiedene, meist erfolgreiche Behandlungsansätze, um das Leiden in den Griff zu bekommen. Diese reichen von konservativen Maßnahmen wie konsequentem Beckenboden- oder Blasentraining über die medikamentöse Therapie bis hin zu operativen Eingriffen.
Tourette-Syndrom
Tourette-PatientInnen werfen mit unkontrollierten Schimpftiraden oder zutiefst vulgären Ausrücken um sich, begleitet von Muskelkrämpfen, Grimassen oder ruckartigen Zuckungen (Tics) und unvermittelt ausgestoßenen Lauten. Auf die Außenwelt wirkt dies ziemlich befremdlich bis hin zu furchteinflößend, weshalb Tourette-Betroffene häufig als „gestört“ ausgegrenzt und verurteilt werden. Die Erkrankung hat – wie oft kolportiert – weder mit Intelligenz noch mit mangelnder Erziehung zu tun, sondern ist vielmehr vermutlich auf eine Störung der chemischen Botenstoffe im Gehirn oder auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen. Betroffene sind ebenso leistungsfähig wie gesunde Menschen. Das vielschichtige Krankheitsbild beginnt meist im Kindesalter und verstärkt sich bisweilen in der Pubertät. Buben sind etwa dreimal so oft betroffen wie Mädchen. Neben der medikamentösen Therapie mit Neuroleptika bewähren sich vor allem Psycho- und Soziotherapie, insbesondere Verhaltenstherapie, verschiedene Entspannungstechniken und auch Musiktherapie. Wichtig ist es, die Erkrankung aus der Tabuzone zu holen und die Betroffenen in die Gesellschaft zu integrieren.
Psychische Zwangsstörung
Wer den Drang verspürt, sich ständig die Hände zu waschen, stets mehrmals kontrolliert, ob z. B. der Herd ausgeschaltet ist, beim Laufen akribisch etwa Kopfsteinpflastersteine zählen muss oder beispielsweise zwanghaft Angst vor Unglücken hat, wird oft von der Gesellschaft dafür belächelt. Zu Unrecht, denn dahinter kann eine manifestierte psychische Zwangsstörung stecken, die unbedingt ärztlich bzw. psychologisch behandelt werden sollte, um Folgeerkrankungen wie Hautkrankheiten, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Schäden im Magen-Darm-Trakt zu verhindern. Rund 200.000 ÖsterreicherInnen leiden unter einer solchen Zwangsneurose, deren Ursache häufig großer seelischer Druck ist. Mit einer Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie können Zwangsstörungen gut behandelt werden. PatientInnen lernen einerseits, die Unsicherheit, die sie zu Zwängen verleitet, auszuhalten, um festzustellen, dass nichts Gefährliches passiert, wenn sie dem Drang nicht nachgeben. Andererseits wird mit therapeutischer Hilfe daran gearbeitet, Denkmuster zu ändern, um zu ermöglichen, dass auch unangenehme Gefühle zugelassen und verarbeitet werden können.
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