Pubertät Kompakt-Info
Gesundheitswissen to go
Pubertät – wenn Kinder erwachsen und plötzlich „fremd" werden
„Pubertät“ (lat. pubertas = Geschlechtsreife) bezeichnet die körperliche Entwicklung als Teil der „Adoleszenz“, die alle körperlichen, psychischen und sozialen Reifeprozesse vom Kindesalter bis zum Erwachsenen umfasst. Mädchen kommen im Schnitt mit rund zehn Jahren in die Pubertät, Buben mit rund zwölf Jahren. Für viele Familien ist diese Zeit häufig sehr herausfordernd: Der Nachwuchs ist nicht mehr zugänglich, wird wortkarg, verschanzt sich plötzlich nur noch im Kinderzimmer und reagiert durchweg gereizt. Die Eltern sind, egal, was sie sagen oder tun, „nur noch peinlich“. Eine ganz normale Phase der Entwicklung auf dem Weg zum Erwachsenwerden, die jedoch viele Familiengefüge, ähnlich einer Achterbahnfahrt, ordentlich durcheinanderwirbeln kann. Spannend und schwierig zugleich.
„Großbaustelle“ Gehirn
Die Phase der Pubertät dauert in der Regel circa vier Jahre. Die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) beginnt, die Ausschüttung von Sexualhormonen im Körper anzuregen: bei Mädchen vor allem das Hormon Östrogen, das in den Eierstöcken gebildet wird und bei Burschen die Testosteronproduktion in den Hoden. In diesem Alter beginnt auch das Gehirn, sich komplett umzubauen. Einzelne Areale wachsen unterschiedlich schnell. So reift beispielsweise das limbische System, zuständig für Emotionen und Impulse, offenbar schneller als andere Bereiche. Dies erklärt zum Teil, laut ExpertInnen, das häufige Gefühlschaos bei TeenagerInnen. Im pubertierenden Gehirn entstehen neue Verbindungen (Synapsen) zwischen Nervenzellen, andere – nicht mehr benötigte oder wenig genutzte – verschwinden. Das Gehirn wird insgesamt schneller. Während dieses Prozesses steigt häufig auch die Risikobereitschaft bei Jugendlichen. Das Verlangen nach Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum kann entstehen – aus Neugier oder um „cool“ zu sein und dazuzugehören –, woraus sich rasch eine Suchterkrankung entwickeln kann. Manch somatische Erkrankung, die z. B. durch einen erhöhten Alkoholkonsum ausgelöst wird, nimmt in dieser Zeit ihren Anfang und droht bei Ignoranz bzw. fehlender Therapie, in ein chronisches Stadium mit einer entsprechend schlechteren Prognose überzugehen.
Seelische Veränderungen
Bei den meisten geht die Pubertät, wie sie gekommen ist – ohne bleibenden seelischen Schaden. Dennoch ist durchaus auch Vorsicht geboten: Bei rund fünf Prozent der Pubertierenden kommt es zu psychischen Auffälligkeiten, die behandelt werden sollten. In der aktuellen Pandemie-Studie der Donau-Uni Krems gaben 65 Prozent der Jugendlichen zwischen zehn und 19 Jahren an, psychisch sehr belastet zu sein und ca. jede/r fünfte Jugendliche wurde in Zeiten von Lockdown-Trauma, Wirtschaftskrise und Klimawandel behandlungsbedürftig.
Antriebslosigkeit und sozialer Rückzug, Angst- und Schlafstörungen oder häufige Bauch- und Kopfschmerzen können Ausdruck einer beginnenden Depression sein. Auch können Jugendliche von Auto-Aggressionen bis hin zur Selbstverletzung und Suizidgedanken geplagt werden. In derlei Fällen sollten die Eltern mit ihren Kindern reden und unbedingt ärztliche bzw. psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Hinter Antriebslosigkeit und Müdigkeit, oft verbunden mit Konzentrationsstörungen, kann aber auch eine Stoffwechselstörung stecken in Form einer Schilddrüsenunterfunktion. Eine Überfunktion zeigt sich hingegen durch erhöhte Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen.
Die Pubertät ist auch die Zeit, in der, speziell bei Mädchen, häufig Essstörungen auftreten, die in eine lebensbedrohliche Magersucht oder Bulimie (Ess-Brech-Sucht) münden können. Alarmzeichen hierfür sind, neben dem Gewichtsverlust, eine deutlich verringerte Nahrungsaufnahme, der Verzicht auf kalorienreiche Lebensmittel und der verstärkte Fokus auf das Thema Ernährung. Auch die ständige Selbstkontrolle des Gewichts auf der Waage und das Vermeiden gemeinsamer Mahlzeiten mit der Familie sollten von Eltern achtsam beobachtet werden. Ebenso können sich in der Pubertät rasch Zwangsstörungen entwickeln mit dem quälenden inneren Drang, gleiche Handlungen unentwegt zu wiederholen (z. B. ständiges Händewaschen, penibles Anordnen von Gegenständen, dauerndes Zählen etc.) Dies kann den Alltag massiv negativ beeinflussen.
Körperliche Veränderungen
In der Pubertät wächst das Kind bzw. die/der Jugendliche zum Erwachsenen heran. Die Körpergröße und die (Muskel-)Masse verändern sich zum Teil rasant. Die Körperbehaarung (u. a. Achseln, Intimbereich, Bart) beginnt zu sprießen. Die Haut verändert sich durch vermehrte Talgproduktion (z. B. Hautunreinheiten, Akne, schnell fettendes Kopfhaar). Der Kehlkopf und die Stimmlippen wachsen, was sich bei Burschen durch den Stimmbruch äußert, der die Stimme am Ende bis zu acht Töne (eine Oktave) tiefer klingen lässt. Auch Mädchen haben einen Stimmbruch. Dieser fällt jedoch mit einer Veränderung von maximal rund drei Tönen tiefer weniger auf. Bei ihnen hingegen setzen das Wachstum der Brust und die monatliche Regelblutung ein. Durch die Entwicklung der Schweißdrüsen und den damit verbundenen Körpergeruch müssen sich Teenager ab jetzt auch verstärkt mit der eigenen Körperhygiene auseinandersetzen.
HPV-Impfung sinnvoll
In der Pubertät werden Teenager auch zum ersten Mal sexuell aktiv. Damit steigt die Gefahr von (Geschlechts-)Erkrankungen, die durch intime Kontakte übertragen werden. Hierzu gehören unter anderem Infektionen mit hochansteckenden Humanen Papillomaviren (HPV), die für Genitalwarzen oder auch diverse Krebsarten (z. B. Gebärmutterhals, Rachen, Scheide, Penis und Anus) ursächlich sind. Zum Schutz hiervor wird für Teenies beiderlei Geschlechts eine gut verträgliche Impfung – möglichst vor den ersten sexuellen Kontakten – empfohlen, die vorbeugend wirksam ist. Die Impfung ist in Österreich für Neun- bis 21-Jährige kostenlos.
Wie können Eltern ihr Kind in der Pubertät unterstützen?
Eltern haben in der Pubertät ihres Kindes häufig Angst, dass es abdriftet und auf die „schiefe Bahn“ kommt. Dies ist meist unbegründet und erfordert auch ein Loslassen. Der Nachwuchs bereitet sich in dieser wichtigen Lebensphase schlichtweg auf ein selbstbestimmtes Leben vor. Er reflektiert und hinterfragt die eigene Persönlichkeit, ist manchmal unsicher, hat Selbstzweifel und vielleicht auch streckenweise ein geringeres Selbstwertgefühl. Zudem stellen sich erste Gefühle des Verliebtseins ein, was, aufgrund fehlender Erfahrung, auch erstmal eingeordnet und bewältigt werden muss. Abgrenzung von der Familie gehört daher in einem gewissen Maß dazu, um in der Pubertät die eigene Identität entwickeln zu können. Daher ist es auch normal, dass etwa das Verhalten und die Meinungen von FreundInnen (Peer-Groups) zunehmend mehr Gewicht bekommen.
Fest steht: Pubertät ist eine Tatsache, keine Krankheit. Sie verläuft bei jedem Kind individuell sowie unterschiedlich ausgeprägt. Für eine „Turboerziehung“, um in letzter Minute noch alles richtig zu machen, ist es jetzt zu spät. Das kann nicht funktionieren. In der Pubertät kommt es nun auf die Beziehung an. Auch wenn das manchmal schwerfallen mag, geht es darum, dass man als Eltern Verständnis für die/den Pubertierende/n zeigt. Dies bedeutet aber nicht, auf Regeln und deren Einhaltung zu verzichten, denn persönliche Richtlinien und Grenzen geben Orientierung und Halt. Die Heranwachsenden profitieren vielmehr, neben der authentischen Vermittlung von Werten, auch vom Vorbild der Eltern, wie man „überbordende Emotionen“ regulieren kann.
Umso wichtiger ist jetzt eine Familie bzw. sind Angehörige, die einen entsprechenden Rückhalt und auch weiterhin die gewohnte körperliche Nähe anbieten. Es mag widersprüchlich erscheinen, aber Pubertierende brauchen, so wie zuvor als Kind, Zärtlichkeit. Denn Umarmungen können zur passenden Zeit Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Einsamkeit in den Hintergrund drängen, weil durch die körperliche Nähe Endorphine, also Glückshormone, ausgeschüttet werden. Essenziell sind zudem Gespräche auf Augenhöhe, die glaubhaft vermitteln, dass man für die TeenagerInnen und deren Probleme ehrliches Interesse zeigt, ohne dass man sie maßregelt. Denn die Zeit der Bevormundung geht in der Pubertät am Weg zum Erwachsenwerden langsam aber sicher zu Ende.
Wenn Sie merken, dass ihre Kinder sich wieder öffnen, öfter wieder etwas mit Ihnen unternehmen wollen und auch wieder gemeinsam mit Ihnen Pläne schmieden für die private, schulische und berufliche Zukunft – Gratulation, dann ist es geschafft, die Pubertät ist vorüber!