Palliative Care Kompakt-Info
Gesundheitswissen to go
Palliative Care – Leben ist, was Leben lebenswert macht
Der Begriff „Palliative Care“ bzw. „Palliativmedizin“ löst bei vielen Menschen noch immer Unsicherheit oder sogar Angst aus, weil dieser so wichtige Teilbereich der Medizin oft mit „Sterben“ gleichgesetzt wird. Fälschlicherweise, denn Palliative Care richtet sich an unheilbar erkrankte Menschen, bei denen zwar nicht mehr die Heilung ihrer Erkrankung im Vordergrund steht, die jedoch teilweise noch länger leben können. Ziel ist es, mit einem ganzheitlichen Ansatz betroffenen PatientInnen ein Höchstmaß an individueller Lebensqualität zu ermöglichen – und deren Familien zu unterstützen. Die Versorgung ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Konfession. Palliative Care legt den Schwerpunkt auf das Sinnvolle und nicht nur auf das Machbare.
Grundsätzlich sind der letzte Lebensabschnitt und das Sterben Teil des Lebens und sollten so würdevoll wie möglich geschehen dürfen. Dies bestmöglich sicherzustellen, dafür setzen sich interprofessionelle Palliativ-Teams (spezialisierte MedizinerInnen, Pflegekräfte und TherapeutInnen, aber auch Ehrenamtliche) aktiv ein. Diese Teams gibt es an allen OÖG-Kliniken. Sie können dem Leben der ihnen anvertrauten schwerst oder unheilbar kranken Menschen nicht unbedingt mehr Tage geben, aber sie können mit wirkungsvollen Maßnahmen und Therapien deren Tagen mehr Leben geben.
Wichtigstes Ziel von Palliative Care ist es, betroffenen PatientInnen mit einem ganzheitlichen, interprofessionellen Ansatz ein Höchstmaß an individueller Lebensqualität zu ermöglichen, ihre Selbstbestimmung zu erhalten und sie würdevoll zu begleiten – wenn nötig bis zum Lebensende. Die Betreuung erfasst körperliche, psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse der PatientInnen – aber auch die Betreuung der nächsten Angehörigen. Eine zentrale Aufgabe von Palliative Care ist es, gemeinsam mit der Patientin/dem Patienten – und auch, falls gewünscht, mit den Angehörigen/Bezugspersonen – zu entscheiden, welche Maßnahmen und Therapien im Hinblick auf den weiteren Krankheitsverlauf sinnvoll und gewünscht sind.
Palliative Care – stationär, ambulant und im niedergelassenen Bereich
Viele Menschen denken noch immer, Palliative Care kommt nur bei Menschen zum Einsatz, die schon im Sterben liegen. Dem ist aber absolut nicht so. Palliative Care sollte bzw. kann bei einer unheilbaren Grunderkrankung möglichst frühzeitig ins Behandlungs- und Versorgungskonzept mit einbezogen werden. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnose oder während der Behandlung kann Palliativmedizin zum Einsatz kommen und gut unterstützen. Hierdurch können auf Heilung ausgerichtete und palliative Maßnahmen ineinandergreifen, um den Betroffenen in der jeweils individuellen Situation so viel Lebensqualität wie möglich zu geben oder diese sogar zu verbessern. Zum Einsatz kommt Palliative Care sowohl im Krankenhaus – entweder stationär auf speziellen Palliativstationen, Palliativeinheiten oder auch durch einen palliativmedizinischen Konsiliardienst (mit dem Ziel, dass Menschen wieder nach Hause ins gewohnte Umfeld zurückkehren können), ambulant im Rahmen der Palliativambulanzen an den Palliativstationen – als auch im niedergelassenen Bereich. Letzterer wird von mobilen Palliativ- und Hospiz-Teams gesichert, die die Betroffenen zu Hause betreuen, wenn es erforderlich ist.
Palliative Care – ganzheitlich, kompetent und empathisch
Palliative Care hat immer den Menschen und seine individuelle Lage im Fokus. Ziel ist es, ganzheitlich Leid sowie Komplikationen vorzubeugen bzw. zu lindern: einerseits auf körperlicher Ebene (z. B. Schmerzen, Übelkeit etc.), andererseits auch auf psychischer Ebene in seelisch belastenden Situationen, in denen sich sowohl die Patientin/der Patient selbst oder auch die Angehörigen befinden, die an ihre Grenzen des Machbaren stoßen. Auch die sozialen Herausforderungen im Laufe einer Erkrankung sind ein zentrales Thema. Die Betroffenen werden mit ihren Sorgen und Ängsten ernst genommen und begleitet. Damit dies gelingen kann, arbeiten unter dem Dach von Palliative Care viele verschiedene Berufsgruppen kompetent und empathisch eng zusammen. Hierzu gehören – neben PalliativmedizinerInnen und spezialisierten Pflegekräften – PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen, klinische PsychologInnen, SeelsorgerInnen, DiätologInnen, LogopädInnen, speziell geschulte Ehrenamtliche und viele mehr.
Palliativmedizinische Maßnahmen
Die moderne Palliativmedizin beinhaltet medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung. Sie setzt auf eine Kombination aus klassischen Therapieansätzen und komplementären Methoden, die eine gute Evidenz haben. Zu den häufigen Symptomen, die durch ein palliatives Behandlungskonzept (z. B. medikamentös und therapeutisch) gut gelindert werden können, zählen beispielsweise Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Müdigkeit oder Energielosigkeit. Ebenso haben jedoch auch Maßnahmen ihren fixen Platz, die sich der durch die Erkrankung oft schwer belasteten Psyche (Depression, Ängste etc.) der Betroffenen widmen. Dies reicht etwa von Achtsamkeits- und Entspannungstraining über sensibel gestaltete (Therapie-)Gespräche und Biografiearbeit bis hin zu seelsorgerischer Begleitung. Auch Angehörige und Bezugspersonen werden immer in die Betreuung mit einbezogen.
Wenn die Lebenszeit eines Menschen nurmehr begrenzt ist, wird es immer wichtiger, abzuwägen, ob man von denkbaren Therapien und Maßnahmen auch wirklich profitiert. Und hier kann jeder Mensch anders entscheiden: Für den einen ist es wichtiger, möglichst Zeit mit der Familie daheim zu verbringen. Für den anderen ist jeder Tag wichtig und es stört nicht, wenn die Zeit im Krankenhaus verbracht wird. So versuchen PalliativmedizinerInnen gemeinsam mit ihren PatientInnen herauszufinden, welche Wege die jeweils besten für jede und jeden Einzelnen sind. Und abgesehen davon gibt es immer noch viel zu tun – auch wenn eine Krankheit unheilbar ist.
Palliative-Care-Ansatz am Beispiel von Appetitlosigkeit
Die zunehmende Appetitlosigkeit, die fehlende Freude am Essen, teilweise auch Übelkeit und gastrointestinale Problem sind oft Teil der fortschreitenden Erkrankung. Speziell bei Krebserkrankungen kommt es im letzten Lebensabschnitt zu Veränderungen des Stoffwechsels, die dazu führen, dass auch durch vermehrte Energiezufuhr keine „Kraft“ mehr aufgebaut wird. Im Gegensatz zu frühen Krankheitsstadien hilft dann eine forcierte Ernährung nicht mehr, weil beispielsweise keine Muskelmasse mehr aufgebaut werden kann. Wer hungrig ist, soll und darf immer essen, was ihm schmeckt und wird dabei auch unterstützt. Aber das schlussendliche Einstellen der Nahrungsaufnahme in der letzten Lebensphase ist völlig normal. Die PatientInnen leiden darunter auch nicht, weil sie keinen Appetit oder Hungergefühl verspüren. Ganz im Gegenteil – ein „Zwingen zum Essen“ wird von ihnen eher als belastend empfunden.
Letzte-Hilfe-Kurse
Eine sehr wertvolle Unterstützung im Sinne von Palliative Care können zudem so genannte „Letzte-Hilfe-Kurse“ (www.letztehilfeoesterreich.at) sein, die auch in einigen OÖG-Kliniken regelmäßig für alle am Thema Interessierten angeboten werden. Diese Kurse können helfen zu lernen, mit der Hilflosigkeit und der Unsicherheit umzugehen, die die meisten Menschen hinsichtlich des Lebensendes und des Sterbens empfinden. Was kann ich für einen nahestehenden Menschen am Ende seines Lebens tun? Welche Wünsche, Probleme und Bedürfnisse haben Menschen in ihrer letzten Lebensphase? Welche Hilfsangebote gibt es? Was sollte rechtzeitig geregelt werden? Wie kann ich Angehörigen begegnen? Antworten auf diese und andere Fragen gibt es in den vier Module umfassenden Letzte-Hilfe-Kursen.
Palliativmedizin ist so, wie sich die meisten Menschen Medizin wünschen: zugewandt, wohlmeinend, ohne Zeitdruck.