Demenz Kompakt-Info
Gesundheitswissen to go
Demenz – wenn Krankheit die Erinnerungen löscht
Sehr vergessliche oder zerstreute ältere Menschen nannte der Volksmund früher salopp „verkalkt“. Demenz ist jedoch eine ernstzunehmende Erkrankung, von der aktuell Schätzungen zufolge rund 130.000 ÖsterreicherInnen betroffen sind. Stimmen die Prognosen, wird sich die Zahl in 30 Jahren verdoppelt haben
Eines vorab: Nicht jede Vergesslichkeit im Alltag bei SeniorInnen ist auch gleich ein Zeichen für eine demenzielle Erkrankung. Leiden ältere Menschen hingegen länger als sechs Monate unter Gedächtnisstörungen und schreitet die Symptomatik merkbar fort, sollte eine genaue Diagnostik erfolgen, um Merkfähigkeitsstörungen, Delir, demenzielles Syndrom oder andere Auslöser voneinander zu differenzieren.
Generell sind Demenzen gekennzeichnet vom kontinuierlichen Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit und damit einhergehend mit dem Verlust emotionaler und sozialer Fähigkeiten – ausgelöst durch unterschiedliche krankhafte Prozesse im Gehirn. Die häufigste Ursache sind degenerative Veränderungen (Morbus Alzheimer), gefolgt von Durchblutungsstörungen (vaskuläre Demenz) im Gehirn. Zudem können Mischformen auftreten oder ebenso eine so genannte Lewy-Body-Demenz, die meist genetisch bedingt ist. Auch bei Morbus Parkinson erkranken die PatientInnen in einem späten Stadium häufig demenziell.
Diagnostik
Eine genaue, möglichst frühzeitige Diagnostik kann Klarheit schaffen, aber auch andere Erkrankungen ausschließen. Geprüft werden zunächst heilbare Ursachen wie Vitaminmangelzustände, endokrinologische Ursachen, Infektionen oder Abflussstörungen der Gehirnflüssigkeit (= sekundäre Demenzen). Eine Demenz wird durch eine klinische Untersuchung diagnostiziert, bei der die höheren Hirnfunktionen abgefragt bzw. getestet werden. Ergänzend sind eine körperliche und neurologische Statuserhebung, Laboruntersuchungen sowie eine CT- bzw. MR-Untersuchung des Gehirns. In manchen Fällen, vor allem im Frühstadium der Erkrankung, ist auch eine Untersuchung des „Gehirnwassers“ (mittels Liquor-Punktion bzw. „Kreuzstich“) oder eine PET-Untersuchung des Gehirns (zum Nachweis bestimmter Ablagerungen oder eines gestörten Glukosestoffwechsels im Gehirn) notwendig. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto eher können Betroffene sich selbst noch mit ihr auseinandersetzen und somit auch die Grundlage für ihre weitere Lebensplanung setzen und über ihre Vorstellungen und Wünsche sprechen. Je mehr Zeit die/der Betroffene hat, umso besser kann die Krankheitsbewältigung gelingen.
Krankheitsverlauf
Demenzerkrankungen beginnen schleichend und sowohl die PatientInnen als auch das nahe Umfeld sehen in vergesslichen Episoden oder bei Orientierungsschwierigkeiten nicht sofort die ernsthafte Erkrankung, die schließlich bis zum völligen Verlust der Alltagskompetenz führt, d. h. die/der Betroffene kann sein Leben nicht mehr selbstständig planen, organisieren und bewältigen und wird pflegebedürftig.
Am Anfang von demenziellen Erkrankungen steht die Störung des Kurzzeitgedächtnisses: Neue Informationen werden nach Sekunden gelöscht und waren für die Betroffene/den Betroffenen somit nie existent. Dadurch gelangen natürlich auch keine neuen Informationen mehr ins Langzeitgedächtnis. Dies ist ganz wichtig zu wissen, da es auch in der Kommunikation mit betroffenen PatientInnen berücksichtigt werden muss. Im späteren Stadium verblassen sukzessive zudem vertraute Inhalte bis hin zu Kindheitserinnerungen, da auch das Langzeitgedächtnis nicht mehr einwandfrei funktioniert.
Bei ernsthaften Gedächtnisstörungen fällt zu Beginn oft auf, dass Gegenstände, wie z. B. Schlüssel, Brille, Geldbörse, zunehmend verlegt, Termine häufiger nicht mehr eingehalten werden. Betroffene stellen wiederholt die gleichen Fragen und haben oft Schwierigkeiten in der Orientierung – sowohl zeitlich (sie wissen nicht mehr, wie spät es ist, welcher Wochentag oder welche Jahreszeit ist) als auch örtlich („Wo bin ich, wo wohne ich?“ etc.). Auch Orientierungsstörungen zur eigenen Person können auftreten (Betroffene wissen nicht mehr, wer sie selbst sind oder wie sie heißen). Ebenso werden nahestehende Personen nicht mehr erkannt.
Relativ früh kommt es zu Sprachfindungsstörungen oder Veränderungen in der Sprache: Bekanntes oder Gegenstände können nicht benannt werden und werden weitschweifig und mit Füllworten umschrieben. Auch kann die Sprache zerhackt und stockend wirken, wofür sich die Betroffenen oft schämen. Auffallend sind häufig Veränderungen in der Stimmung wie auch der soziale Rückzug – all dies können frühe Anzeichen für die Erkrankung sein. Angehörige beobachten zudem häufig enthemmtes oder apathisches Verhalten, aber auch Halluzinationen.
Je nach Diagnose kann es über Jahre und Jahrzehnte stabile Verläufe oder aber einen kontinuierlichen raschen Abbauprozess geben. Die medizinische Erfahrung zeigt, dass Demenzerkrankungen umso milder verlaufen, je später sie auftreten.
Behandlung/Therapie
Demenzen können bislang nicht geheilt werden, jedoch gibt es für jede Phase der Erkrankung medikamentöse Hilfen (Antidementiva, Antidepressiva, ggf. zeitlich begrenzt auch Antipsychotika), um die Symptome zu verbessern und die Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Weiters können Psycho-, Ergo- und Physiotherapie sowie Komponenten der Sozialarbeit unterstützend wirken. Die Therapie orientiert sich an drei Zielen: Stabilisierung der Hirnleistungsstörung, Verbesserung der Alltagskompetenz und Verminderung von Verhaltensauffälligkeiten – immer alles unter der Prämisse einer menschenwürdigen Betreuung und Pflege. Der Gesamtbehandlungsplan sollte immer individuell auf die Symptome und auf den Schweregrad der Demenz abgestimmt sein.
Rolle der Angehörigen
Angehörige spielen bei der Behandlung Demenzkranker eine große Rolle, da sie einerseits Auskunft geben können über Symptome, die die PatientInnen (v. a. in späteren Krankheitsstadien) schwer wiedergeben können. Andererseits sind sie für die Kranke/den Kranken eine wichtige Stütze, da durch sie, neben der Hilfestellung im Alltag, auch eine emotionale Ansprechbarkeit gegeben ist. Dies setzt allerdings voraus, dass die Beziehung zwischen Angehörigen und PatientInnen intakt ist. Die Betreuung demenziell erkrankter Menschen ist eine große Herausforderung und gerade im Frühstadium ist es für die Angehörigen schwer, mit den Veränderungen umzugehen: Einerseits ist da der geliebte Mensch, der vielleicht jahrzehntelang verantwortungsvolle/r Partnerin/Partner war, andererseits verblassen deren/dessen intellektuelle Fähigkeiten und die bekannte Persönlichkeit zusehends. Dieser „neue“ Mensch muss in seinen Verhaltensweisen erst wieder kennen- und lieben gelernt werden. Das Erlernen einer gelassenen Haltung ist wichtig, ebenso wie das einer nachgiebigeren Kommunikation für eine Situation, die weder durch Verhaltensregeln, noch durch starre Forderungen verbessert werden kann.
Für Angehörige ist es wichtig, von der Ärztin/vom Arzt, je nach Diagnose, die damit verbundene Prognose und mögliche Gesundheitsstörungen zu erfahren und Vorsorge für die Betreuung und in weitere Folge für die Pflege zu treffen. Selbsthilfegruppe und Internetforen helfen dabei. Als Selbstschutz für Angehörige sollten externe Unterstützungsmaßnahmen, gegebenenfalls auch Auszeiten mittels Kurzzeitpflegeplätzen, falls möglich, genutzt werden.
Vorsorge
Neben der genetischen Disposition sind es vor allem unter anderem Lebensstilfaktoren, die das Risiko für eine demenzielle Erkrankung erhöhten. Hierzu gehören das Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, das metabolische Syndrom, Bewegungsmangel und unkorrigierter Hörverlust. Einen schützenden Effekt hat hingegen laut einiger Studien ein aktiver Lebensstil, der geprägt ist von geistig aktiven Tätigkeiten, Tanzen, Sport, Ernährung mit frischen Lebensmitteln (viel Obst, Gemüse und Fisch) und allgemeiner Gesundheitsprophylaxe (Gesundenuntersuchung). Insbesondere Tanzen sowie Balance-und Ausdauertraining sind wesentliche Faktoren zur Verzögerung des Krankheitsverlaufes. Die so genannten „Lifestyle“-Faktoren, wie gesund leben und essen mit ausreichend Bewegung scheinen übrigens nur dann eine positive Wirkung im Sinne einer Schutzwirkung zu erzielen, wenn sie bereits in jüngeren Jahren – deutlich vor dem 60. Lebensjahr – umgesetzt werden.
Tipps für den Umgang mit Demenz-PatientInnen: „In den Schuhen der/des Betroffenen gehen“
- Wenn Sie mit Demenzkranken sprechen, streben Sie Kommunikation auf Augenhöhe an. Ein direkter Blick kann provozierend, herausfordernd wirken.
- Achten Sie darauf, nicht zu schrill oder zu laut zu sprechen. Seien Sie versöhnlich, streiten Sie nicht.
- Vermeiden Sie Zurechtweisungen oder Belehrungen und verzichten Sie auf logisches Argumentieren, auch wenn die ein oder andere Aussage der/des Kranken nicht stimmt.
- Bleiben Sie wertschätzend und ruhig. Wiederholen Sie geduldig.
- Loben, stärken und bestätigen Sie so oft wie möglich.