Problem-Based Learning (PBL)
Schule für Gesundheits- und Krankenpflege Freistadt
Problem-Based Learning (PBL)
PBL repräsentiert eine Möglichkeit, neben der Anhäufung von Faktenwissen auch das soziale und persönliche Lernen zu fördern. Dies wird besonders in der Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege gefordert (Darmann-Finck, 2008).
Das Wort „Problem“ in dem Begriff Problem-Based Learning wird von vielen Lehrenden als nicht treffend bezeichnet. Schließlich sollten sich der Patient/ die Patientin und der Lernbedarf nicht als Problem darstellen. Auf Grund dieser Diskrepanz wird für PBL auch die Bezeichnung „exploratives Lernen“ oder „aufgabenorientiertes Lernen“ verwendet (Wilkie, 2001). Wird das englische „the problem“ als eine Fragestellung, Herausforderung oder Verwunderung verstanden, trifft es den Kern von PBL (Schwarz-Govaers, 2008).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank empfahlen 1993 PBL als wertvolle Lernstrategie in den Gesundheitsberufen einzusetzen, denn sie konzentriert sich auf die Umgebung, in der die einzelnen Berufsgruppen in der Praxis arbeiten werden (Wilkie, 2001).
Besonders in der Frage nach lebenslangem Lernen kann PBL eine Antwort sein, denn diese Lernform unterstützt mit seinem hohen Anteil an Selbststudium die Möglichkeit, den Lernort selbst bestimmen zu können und macht somit berufsbegleitendes Lernen möglich (Weber, 2007a).
Mit PBL erfolgt ein Paradigmenwechsel in der Ausbildung, weg vom dominierenden Frontalunterricht hin zum selbstgesteuerten, kollaborativen Lernen in der Gruppe (Weber, 2007a). Dies fordert eine umfassende Ausbildung für die Rolle des/der Tutor/in um als Lernbegleiter/in die Auszubildenden unterstützen zu können.
Aufgrund unterschiedlichster Interpretationen von PBL bedarf es einer Auseinandersetzung der Definitionen.
Weber (2007a, S. 13) bezeichnet PBL als „eine didaktische Methode und ein empirisch gut erprobter Weg des situierten, erkenntnis- und problemorientiertes Lernen […]. Unter dem Prinzip der Problemorientierung wird verstanden, dass im praktischen Lehr-/Lerngeschehen Fälle, Situationen, Ereignisse oder Phänomene in den Mittelpunkt gestellt werden, die einen authentischen Charakter haben, für die Lernenden relevant sind und verschiedenen Interpretationen zulassen“.
Guilbert (1987) sieht wiederum als wesentlichstes Charakteristikum von PBL, dass anhand eines Problems gelernt wird. Das Problem dient als Stimulus, um herauszufinden, welche Informationen es braucht, um es verstehen zu können (zit.aus Weber, 2007a). Wilkie (2001, S. 37) definiert PBL als „eine Unterrichtsmethode, bei der die Studenten in Kleingruppen arbeiten, um Wissen und Problemlösungsfähigkeiten zu erwerben.“ Problem-Based Learning nahm seinen Ausgang 1969 an der Medical Faculty der McMaster Universität in Hamilton, Kanada. Die medizinische Ausbildung litt zu dieser Zeit besonders unter der Anhäufung von Faktenwissen mit einem geringen Praxisbezug.
Ausschlaggebend für die europäische Verbreitung von PBL war die Universität Maastricht in den Niederlanden. In Maastricht wurde die Prozessstrategie des „Siebensprungs“ entwickelt, der vor allem in Europa zur Anwendung kommt. „Sämtliche Fachhochschulen der Pflege in den Niederlanden arbeiten heute mit dieser Methode“ (Weber, 2007a, S. 16).
Weltweit sind verschiedensten PBL-Varianten in Anwendung. Dies macht jegliche Evaluierung schwierig.
Barrows (1996), der Begründer von PBL, beschreibt sechs Charakteristiken:
- Das Lernen ist studentenzentriert: Die Studenten bestimmen selbst, was und wie sie lernen. Als Unterstützung dienen eine Tutorin und Informationsressourcen der Universität.
- Das Lernen erfolgt in Kleingruppen: Die Gruppe besteht aus fünf bis neun Lernenden und wird mit jedem neuen Modul neu zusammengesetzt, um die Zusammenarbeit mit einer Vielfalt von Personen zu lernen.
- Eine Tutorin betreut und unterstützt den Lernprozess: Die Tutorin überwacht den Gruppenprozess, sie tritt als Lern-Expertin und nicht als Fach-Expertin auf.
- Probleme bilden den Ausgangspunkt und Stimulus für den Lernprozess: Aus real nachempfundenen Problemen der Praxis sollen die Studentinnen für den Lernprozess motiviert werden.
- Die Lernenden erwerben anhand des Problems die erforderlichen Kenntnisse und Problemlösefertigkeiten. Das Problem soll wie in der Praxis präsentiert werden, um die erforderlichen Kenntnisse für die Praxis zu erwerben.
- Die Lernenden erwerben neue Informationen durch selbstgesteuertes Lernen. Die Studierenden erweitern ihre Fertigkeiten durch eigenes Forschen und durch Diskussionen mit Mitstudierenden (zit. aus Müller, 2007).
Ziele des PBL:
Die Lernenden…
- eignen sich Fähigkeiten und Motivation zu lebenslangem Lernen an,
- erwerben transferfähiges Wissen,
- erarbeiten sich eine breite Wissensbasis,
- werden durch Anwendungsbezug zum Lernen motiviert,
- erlangen eine wissenschaftliche Denkweise,
- profitieren innerhalb der Lerngruppe voneinander,
- werden geschult in Kommunikation, Teamarbeit und Selbstdisziplin,
- erlangen Problemlösefähigkeit,
- eignen sich Fähigkeiten zur Selbstreflexion an. (Fischer, 2004, S. 27)
Die Entwicklung von PBL war nicht an eine spezifische Lerntheorie gebunden, sondern entstand aus den Anforderungen und Zielen der Lehrtätigkeit. Trotzdem entwickelten sich Parallelen zu theoretischen Konzepten. Allen voran der Konstruktivismus, der Wissen nicht objektiv sondern als Konstrukt eines Menschen sieht. Reinmann-Rothmeier (1998) sieht darin eine Forderung nach einem aktiven, sozialen, konstruktiven und situativen Lernen in authentischen und multiplen Kontexten (zit. aus Schwarz-Govaers, 2003).
Fischer (2004, S. 29) definiert den Siebensprung folgend: „Der Siebensprung ist eine systematische, schrittweise Herangehensweise an Problemaufgaben in der Unterrichtsgruppe. Es findet ein Wechsel zwischen Kleingruppenarbeit und Selbststudium statt“. Die Bearbeitung der Fallstellung wird mit der Siebensprungmethode folgend mit den Autoren Schwarz-Govaers (2002), Fischer (2004) und Weber (2007a) erläutert. Folgende sieben Schritte dienen als Kernelemente von PBL (Weber, 2007a):
Erste Phase: Problemanalyse
1. Schritt: Begriffe klären
Ziel dieses Schrittes ist es, unklare Begriffe zu erkennen und zu definieren um ein einheitliches Lernverständnis zu schaffen.
2. Schritt: Problem bestimmen
Die genaue Problemdefinition führt zu einem klaren Umriss und begrenzt somit Lernradius.
3. Schritt: Problem analysieren
Anhand von Brainstorming wird das Vorwissen aktualisiert und das Vorverständnis geklärt.
4. Schritt: Erklärungen ordnen
Die verschiedensten Erklärungen werden geordnet, irrelevantes ausgeschieden und Prioritäten festgelegt.
5. Schritt: Lernfragen formulieren
Unklarheiten werden in Form von Lernzielen oder Lernfragen formuliert. Der Lernprozess wird in der Gruppe evaluiert.
Die ersten fünf Schritte finden in der Lerngruppe von acht bis zwölf Personen in Begleitung eines/r Tutor/in statt. Sie dauern zwischen 45 und 60 Minuten, je nach Erfahrung. Die Gruppe analysiert das Problem aufgrund ihres Vorwissens und bestimmt relevante Lernfragen (Schwarz-Govaers, 2004).
PBL-Lerngruppe
Zweite Phase: Wissensaneignung
6. Schritt: Informationen beschaffen (Selbststudium)
Ziel ist es sich individuell in die Materie einzuarbeiten und Antworten auf die Lernfragen zu finden (Weber, 2007a). Das Selbststudium ist vorwiegend ein Einzelstudium, es können sich aber auch kleine Lerngruppen oder –teams bilden. Der Zeitaufwand wird mit fünf bis zehn Stunden geschätzt, je nach Aufgabenkomplexität. Die Lernenden lernen meist in einer IT-Studienlandschaft oder bei sich zu Hause. In dieser Phase können auch Vorlesungen und Experten/innen-Befragungen angeboten werden (Schwarz-Govaers, 2004).
Dritte Phase: Vertiefte Problemanalyse
7. Schritt: Informationen austauschen
Der Austausch der neuen Informationen findet in der Gruppe statt. Dieser Schritt ist besonders für das nachhaltige individuelle Lernen von Bedeutung (Weber, 2007a). In diesem Schritt trifft sich die Gruppe mit dem/r Tutor/in wieder, um ihre Ergebnisse zu den gestellten Lernfragen auszutauschen. Der/die Tutor/in ist für den Lernprozess und die Zielerreichung verantwortlich (Schwarz-Govaers, 2004).
Literatur:
Darmann-Finck I.; Boonen A. (2008): Problemorientiertes Lernen auf dem Prüfstand. Erfahrungen und Ergebnisse aus Modellprojekten. Hannover, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG
Fischer R. (2004): Problemorientiertes Lernen in Theorie und Praxis. Stuttgart, Kohlhammer Verlag
Müller, C. (2007): Implementation von Problem-based Learning. Eine Evaluationsstudie an einer Höheren Fachschule. Bern, h.e.p. Verlag AG
Schwarz-Govaers R. (2002): Problemorientiertes Lernen in der Pflegeausbildung. In: PrInerNet, 02/02, S. 30 – 45
Schwarz-Govaers R. (2003): Problemorientiertes Lernen – neuer Wein in alten Schläuchen oder eher alter Wein in neuen Schläuchen? In: PrInterNet, 01/03, S. 36 – 45
Schwarz-Govaers R. (2004): Subjektive Theorien als Basis für problembasiertes lernen in der Pflegeausbildung. In: Ludwig I., Mahrer R., Imhof L., Mühlherr L., Neuhaus U., Schäfer M., Schwarz-Govaers R.: Pflege lehren und lernen. Pädagogische und fachdidaktische Impulse zur Ausbildung im Gesundheitswesen. WE´G Weiterbildungszentrum für Gesundheitsberufe (Hg.), Bern, h.e.p. Verlag AG, 65 – 87
Schwarz-Govaers R. (2008): problemorientiertes Lernen (POL) und Subjektive Theorien (ST) – was hat das eine mit dem anderes zu tun? In: Darmann-Finck I., Boonen A. (Hg.): Problemorientiertes Lernen auf dem Prüfstand. Erfahrungen und Ergebnisse aus Modellprojekten. S. 13 – 24, Hannover, Schültersche Verlagsgesellschaft
Weber A. (2007a): Problem-Based Learning. Ein Handbuch für die Ausbildung auf der Sekundarstufe ll und der Tertiärstufe. 2. überarbeitete Auflage, Bern, h.e.p. Verlag AG
Wilkie K. (2001): Das Wesen des problemorientierten Lernens. In: Glen S., Wilkie K. (Hg.): Problemorientiertes Lernen für Pflegende und Hebammen. S. 37 – 64, Bern, Hans Huber Verlag
Verantwortlich für diesen Artikel: Mag. Annemarie Doppler